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Jan´22

Kampenwandüberschreitung

Ein bislang unbeschriebenes Blatt war für uns die Kampenwand. Aufgrund der großen Beliebtheit hatten wir in der Vergangenheit einen Bogen um diese Gegend gemacht, wenn es um die Auswahl eines Kletterziels am Wochenende ging.
Mitte Januar schienen die Bedingungen optimal zu sein, eine stabile Wetter- und mäßige Schneelage sollten zum einen eine Begehung möglich machen, zum anderen aber den großen Ansturm weiterer Seilschaften bremsen. Und tatsächlich, am Parkplatz waren wir zunächst die Einzigen mit Ski und Seil (zwei weitere Seilschaften kreuzten später kurz unseren Weg). Der Aufstieg war durchgängig auf den Skiern machbar und relativ schnell bewältigt. Unter dem Westturm deponierten wir die Ski und tauschten die Skischuhe gegen mehr oder weniger steigeisenfeste Bergschuhe. Der erste Aufschwung gestaltete sich abgesehen von einer speckigen Kaminpassage unschwierig und wir waren zuversichtlich, die gesamte Überschreitung bis zum Ostgipfel trotz der geringen Tageslänge zu schaffen.
Der Abstieg in die Scharte unter den Gmelchturm kostete jedoch mehr Zeit als gedacht. Die Schneebeschaffenheit wechselte zwischen pulvrig und batzig und der Routenverlauf war nicht immer eindeutig. Weite Strecken legten wir ob dieser Unsicherheiten mit Seilsicherung zurück,
bis wir schließlich unter dem markanten Gmelchturm standen.

Hier bieten sich drei Wegmöglichkeiten: eine Umgehung auf der Nordseite, die Nordverschneidung (10 m, III, speckig aber schön) und „lohnender, aber deutlich schwieriger“ der Aufstieg über die Westkante (VI-, aus www.stadler-markus.de).

Auf die Westkante fällt die Entscheidung. Ausschlaggebend sind der trockene, eis- und schneefreie Fels, offensichtliche Sicherungspunkte und die wärmenden Sonnenstrahlen. Also schnell die Steigeisenverstaut und die Sohlen von den Schneeresten befreit. Die Seillänge ist kurz, aber die kleinen Griffe und Tritte sind mit den kalten Fingern und klobigen Bergschuhen durchaus anspruchsvoll. Vom Gipfel heißt es zunächst abseilen und in der anschließenden Scharte unter dem Teufelsturm steht die nächste Entscheidung an: hinauf und über den Grat zum Gipfel oder die Umgehung auf der Nordseite. DerAufschwung sieht wenig ansprechend aus, leicht verschneit, keine offensichtliche Linie und vor allem sind keine Sicherungen zu erspähen – wir weichen aus und queren zur Einkerbung unter dem Hauptgipfel. Ein Verhauer raubt dabei weitere kostbare Zeit und wir entscheiden uns für den Abbruch.

Verleitet von der wärmenden Sonne seilen wir zweimal nach Süden ab. Der Schnee ist hier jedoch mehr als knietief und das Gelände zu steil, um direkt unter der Wand zum Skidepot zurückzukehren. Wir schwenken weiter nach Osten, umrunden den Hauptgipfel und steigen auf der Nordseite bis auf den Wanderweg ab, der uns nach langem Gestapfe endlich zu
unseren Skiern zurückbringt.

Im letzten Tageslicht rumpeln wir gen Tal, beim Auto – könnte man so sagen – war es stockfinster. Aber lustig war’s.