150 Jahre DAV mit abwechslungsreichem Jubiläumsprogramm
Reichenhaller Alpenverein in ausgelassener Feierlaune
Zwischen der Gründung der Reichenhaller Sektion am 15. Mai 1875 und heute liegen nicht nur satte 150 Jahre, sondern auch damals ungeahnte Entwicklungen, ungezählte ehrenamtliche Stunden und herrliche „Wege durch die Berge und zwischen Menschen“, wie es Kathrin Thoma ausdrückte. Sie moderierte gekonnt und charmant den Festabend im Bürgerbräu, zu dem zahlreiche Ehrengäste geladen waren. Der Erste Vorsitzende Max Walch erinnerte an den ursprünglichen Zweck des Vereins, nämlich die Berge zu erforschen und zugänglicher zu machen. Dazu braucht es Menschen, die bereit sind, Zeit, Engagement, Können und manchmal auch pure körperliche Kraft zu investieren, so wie etwa diejenigen, die alleine letzten September 300 Stunden beim Wegebau unterstützten.
Dieses Engagement der rührigen Ehrenamtlichen ist es, das den Verein am Leben erhält und ihn bis heute trägt. Profitieren dürfen davon alle, die sich in den heimischen Bergen bewegen, unabhängig davon, ob sie Mitglieder sind oder nicht. Max Walch wies darauf hin, dass die Klimaveränderung bei allem Bemühen um die alpine Welt eine große Rolle spielt. Sichtbar werden die damit zusammenhängenden Probleme zum Beispiel beim Gletscherrückgang und beim Wassermangel auf den Hütten. Das betrifft auch das Reichenhaller Haus am Hochstaufen. Das „Staufenhaus“, wie es von der Bevölkerung genannt wird, muss aufwändig und kostenintensiv umgebaut werden. Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung stellte in seinem Grußwort pragmatische Lösungen in Aussicht, was die Genehmigung und Finanzierung betrifft, „wenn wir aufeinander zugehen“. Auch Landrat Bernhard Kern deutete eine mögliche finanzielle Unterstützung an. Wie beim Watzmannhaus soll auch für das Staufenhaus eine Insellösung gefunden werden, weil eine Wasserleitung schon aus Umweltgründen nicht zielführend erscheint.
Bei den ca. 5.700 Mitgliedern des größten Vereins der Stadt ist die „höchstgelegene Immobilie“ von Reichenhall sehr beliebt. Auf Kathrin Thomas augenzwinkernd gestellte Frage, wer noch nie am Hausberg war, meldete sich wohlweislich niemand. Einige Anwesende waren über hundertmal oben, aber kaum jemand so oft wie Fritz Eberlein, der ehemalige Hüttenreferent, nämlich stolze 385 Mal.
DAV-Vizepräsident Ernst Schick sprach angesichts des aktuellen Unglücks im schweizerischen Bergdorf Platten, das durch einen Bergsturz zerstört wurde, von den neuen Gefahren durch Berge „in Bewegung“, auch wenn die Bayerischen Alpen seiner Meinung nach davon wahrscheinlich nicht so betroffen sein werden. Er erinnerte an Bergsteigerlegenden aus der Sektion, so wie den Reichenhaller Anderl Hinterstoisser, der zusammen mit Toni Kurz aus Berchtesgaden mehrere schwierige Erstbegehungen eröffnete, die heute zu den heimischen Klassikern gehören, darunter auch die direkte Mühlsturzkante. Traurige Berühmtheiten erhielten die beiden Reichenhaller Gebirgsjäger, als sie viel zu jung mit 22 und 23 Jahren 1936 unter höchst dramatischen Umständen am Eiger ums Leben kamen.
Kurzweilig, interessant und amüsant war der Vortrag von Albert Hirschbichler, der nicht nur selber aus einer bergbegeisterten Familie stammt, sondern auch der Sohn des unter Einheimischen und Zöllnern bekannten Alpinisten Albert Hirschbichler ist, der 1959 durch einen Wettersturz im Karakorum ums Leben kam und zu dessen Ehren ein jährlich stattfindender Gedenkgottesdienst am Pfaffenkogel eingerichtet wurde. Albert Hirschbichler jun. kennt aus eigener bitterer Erfahrung die Tiefen, aber auch die Höhen des Bergsports. Die 207 Seiten starke Festschrift entstammt seiner Feder und ist alleine schon wegen der vielen, teilweise vorher noch nie veröffentlichten Fotos aus privater Hand ein wertvolles Zeitzeugnis. Der gelungene Abriss von 150 Jahren Vereinsgeschichte liest sich so vergnüglich, wie sich der unaufgeregt und locker gehaltene Vortrag anhörte. Das Publikum, das viele der abgebildeten Personen erkannte, amüsierte sich köstlich. Albert Hirschbichler schlug gekonnt einen Bogen von der Zeit, als man von einer Bergtour barfuß heimkehrte, um die guten Nagelschuhe zu schonen, bis zur Off-Road-Tour, „wo die Leut´ heut dort bergab radeln, wo man früher angeseilt abgestiegen wäre“. Von der Wurstdose zum Power-Riegel, vom Oswaldistollen am Staufen anno 1650 bis zum Reichenhaller Haus, von Skitouren, zu deren Ausgangsort man radelte, bis zur Fahrt mit der 1928 eröffneten Bergbahn zur Faschingsgaudi am Predigtstuhl, es hat sich wahrhaftig viel geändert in all den Jahren. Wo damals nur 14 Herren waren, tummeln sich heute gemischte Gruppen von Kletterwichteln bis zu den Seniorengruppen.
Es war der Wunsch des 2020 tödlich verunglückten und unvergessenen damaligen Ersten Vorsitzenden Robert Kern, dass Albert Hirschbichler mit seinem Hintergrundwissen und seinen Insider-Kenntnissen die Festschrift zu diesem Jubiläum schreiben möge. Entstanden ist ein lesenswertes Buch, dass mit lustigen Bildern wie Miss Loipei (Hubert Aßmann) und Miss Himalaya (Erhard Riedl), mit bestürzenden Berichten wie dem über den Mord an den Staufenwirtsleuten Hans und Hannelore Klein, mit interessanten Einzelheiten über einheimische Kletterer und Erstbegehungen und vielem mehr punkten kann. Und auf jeder Seite spürt man die Liebe des Verfassers zu den heimatlichen Bergen.